Batterieprojekte in Nordamerika (Stand: Januar 2022)

Battery-News.de

Autor: Gerrit Bockey

Veröffentlicht am 21.01.2022

Die vergangenen Monate haben zahlreichen Ankündigungen neuer Projekte zur Batterieproduktion mit sich gebracht. Aus diesem Grund veröffentlicht „Battery-News.de“ ein Update zu den aktuellen Zellproduktionen – diesmal mit Blick auf Nordamerika. Unterstützung bei der Erstellung der entsprechenden Karte gab es von Christoph Lienemann, Managing Director des Beratungs- und Ingenieursdienstleisters „PEM Motion North America“, der im Interview die Besonderheiten des US-Markts erklärt.

Battery-News.de: Sie sind im Bereich Batterieproduktion schon seit einiger Zeit in Nordamerika aktiv. Wie nehmen Sie die dortigen Entwicklungen wahr?
Christoph Lienemann: Die Ausgangslage ist eindeutig: In Nordamerika ist wie in Europa die Elektrifizierung der Mobilität nicht mehr aufzuhalten. Das bedeutet gleichzeitig eine enorme Veränderung der Wertschöpfungskette und eine Notwendigkeit, Batteriezellen lokal zu produzieren. Mit den vielen Ankündigungen zur Zellproduktion in Nordamerika passiert gerade etwas, das vor zwei, drei Jahren sehr ähnlich schon in Europa zu beobachten gewesen ist. Wir stehen hier noch ganz am Anfang der Marktentwicklung, und viele Regionen kämpfen um die Ansiedlung möglicher Projekte und die damit verbundenen Investitionen. Sie stehen also vor ähnlichen Herausforderungen wie die Schlüsselregionen in Europa. Das bedeutet einen nachhaltigen Aufbau von Fachkräften mit den entsprechenden Kompetenzen in elektrochemischen Bereichen, von Prozess-Know-how und Qualität. Genauso bedeutet das die Entwicklung einer Supply Chain sowohl für die Rohstoffe als auch für Logistik und Recycling.

„Es entstehen neue Unternehmen mit höchst innovativer Technologie, schier unvorstellbaren Budgets und riesigen Börsenwerten.“

Battery-News.de: Britishvolt hat vor kurzem einen Auftrag an einen deutschen Anlagenhersteller für eine Fabrik in England vergeben und ist nur einer von vielen Zellproduzenten, die sich jetzt auch in Nordamerika etablieren möchten. Wie stehen die Chancen für deutsche Hersteller auf diesem Markt?
Lienemann: Der US-amerikanische Automobilmarkt ist generell anders strukturiert und geprägt als der europäische. Klassischerweise sind hier andere Player aktiv. Insbesondere natürlich die drei großen OEM: Ford, GM und Stellantis (Chrysler). Mit Tesla mischt nun seit einigen Jahren ein Start-up-Unternehmen die Branche weltweit auf und treibt die Elektromobilität enorm voran. Das findet inzwischen Nachahmer, und so entstehen neue Unternehmen mit höchst innovativer Technologie, schier unvorstellbaren Budgets und riesigen Börsenwerten – zum Beispiel „Lucid Motors“, „Xos“ oder „Zoox“ in Kalifornien. Diese Innovationen haben jedoch eines gemeinsam: Sie alle fahren elektrisch und brauchen daher Batteriezellen. Die Qualität, die Verfügbarkeit und der Preis der Zellen werden zum Differenzierungsmerkmal, weshalb der Markt für lokal produzierte Zellen stark wachsen wird. Das bietet tatsächlich große Chancen auch für europäische Player und Lieferanten, aber im Moment sehen wir im Bereich der Zellproduktion noch einen starken Fokus auf asiatische Initiativen. „Britishvolt“ und „Saft“ sind die ersten europäischen Mitbewerber auf dem Kontinent.

Battery-News.de: Wie sieht es auf dem Feld der Modulfertigung aus?
Lienemann: Da sind bereits viele deutsche Lieferanten in den USA auch mit Produktion und Entwicklung vor Ort – zum Beispiel „BMZ“, „Voltabox“ oder „Akasol“. Hier sehen wir weiterhin großes Potenzial, gerade für deutsche Hersteller mit ihren USPs und Referenzen. Außerdem ist der Batteriemarkt auch für den deutschen Maschinen- und Anlagenbau höchst attraktiv.

„Made in Germany“-Equipment bietet immer noch Wettbewerbsvorteile für die hier entstehenden Produktionen, denn den nordamerikanischen Maschinenbauern im Bereich der Zellproduktion fehlen Referenzen und teilweise auch Technologievorteile. Auch deutsche Start-up-Betriebe rund um die Batterie haben ein großes Potenzial, denn die Geschwindigkeit und die Investitionskraft hier sind deutlich größer als in Europa. Der Markt ist aber auch extrem spannend für Experten und Talente mit Batterieproduktionswissen, denn sie werden hier dringend gebraucht und sind entsprechend gefragt.

Battery-News.de: Nordamerika ist sehr groß und geprägt von sehr unterschiedlichen regionalen Strukturen. Welche Standorte sind im Fokus der Batterieentwicklung?
Lienemann: Ein Zentrum ist die Region um Detroit im Mittleren Westen der USA mit den drei genannten OEM und der entsprechenden Supply Chain. Hier ist für uns vor allem Ontario in Kanada und im speziellen die Region Windsor-Essex ein spannender Ort. Die Nähe zu den großen Werken, ein attraktives Geschäftsklima, starke lokale Player in der Automatisierung und eine gute Fachkräfteausbildung mit speziellen Batteriekursen helfen sehr dabei, den Wandel hin zu elektrifizierten Antrieben zu gestalten. Wir sehen außerdem viele Initiativen im Süden der USA und dort insbesondere in Texas, Nevada und Arizona, die sich als neue Automotive-Regionen etablieren möchten. Durch Tesla und die Verlagerung nach Austin wird hier eine enorme Pull-Wirkung entstehen. Kalifornien als Innovationstreiber des Landes und wichtigster Markt für Elektromobilität wird auch weiterhin zentral für Technologie, Regulatorik und Talente bleiben. Wir beobachten dort allerdings eine Verschiebung aus dem Silicon Valley in andere Regionen wie zum Beispiel Los Angeles oder Sacramento. In der Hauptstadt des Bundesstaates werden die Gesetze und Regularien für Zukunftsmobilität gestaltet, was den Grundstein für den Roll-out über den Kontinent legt. Außerdem fördern Projekte wie das California Mobility Center die Zusammenarbeit von Industrie, Forschung, Ausbildung, Investoren und Politik.

Battery-News.de: Und was verrät ein Blick nach Mexiko, wo PEM Motion ebenfalls aktiv ist?
Lienemann: Für Mexiko gibt es im Batterie-Bereich bis jetzt sehr wenige Ankündigen. Wir sind aber davon überzeugt, dass sich durch die starke Automobilindustrie und vor allem die sehr präsenten mexikanischen Zulieferer auch hier eine entsprechende Batterieindustrie etablieren wird. Insgesamt steht der Kontinent vor einem riesigen Wandel und Investitionsschub für das Themenfeld der Batterie.

Battery-News.de: Wie können sich kleinere mittelständische Unternehmen und Start-up-Betriebe aus Deutschland diesem enormen Potenzial am besten nähern?
Lienemann: Ein Büro im Silicon Valley oder ein großes amerikanisches Vertriebs-Team schreckt die meisten Unternehmen nicht nur wegen der hohen Kosten ab. Auch die vielen regionalen Verschiedenheiten und die doch sehr unterschiedliche Geschäftskultur bringen Herausforderungen mit sich.

Wir empfehlen zunächst einen regionalen Fokus und das entsprechende Netzwerk vor Ort. Viele Initiativen wie etwa die deutsche Auslandshandelskammer (GACC) oder der Geman Accelerator unterstützen Unternehmen bei ersten Marktsondierungen und organisieren Geschäftsreisen und Meetings. Wir als PEM Motion sind seit 2017 in Mexiko, seit 2019 in den USA und seit 2021 auch in Kanada vertreten und freuen uns immer, wenn wir von unserer sehr positiven Erfahrung berichten und interessierte Unternehmen bei diesem spannenden Schritt unterstützen können. In jedem Fall kann ich sagen, dass es ein großes Abenteuer ist, das ich jedem ans Herz legen möchte, denn sowohl das Potenzial als auch die persönlichen Lerneffekte sind enorm.

Battery-News.de: Welche Events und News sollten die Leserinnen und Leser von „Battery-News.de“ auf keinen Fall verpassen, wenn sie die Entwicklungen in Nordamerika verfolgen möchten?
Lienemann: Das Thema „Netzwerken“ ist in den USA besonders wichtig, und so gibt es hier zahlreiche Möglichkeiten, um Expertinnen und Experten, Entscheiderinnen und Entscheider aus Industrie, Politik und Forschung kennenzulernen. Wir sind ein großer Fan des Battery-Brunch. Außerdem können wir The Battery Show in Novi (Michigan) empfehlen, bei dem es auch einen deutschen Pavillon gibt.

Quellen:

Ford, TN
Ford, partner to spend $11.4B on four new plants in Tennessee, Kentucky to back EVs (detroitnews.com)

Ford & SK Innovation, KY
SK Innovation and Ford invest $11.4 billion to seize the top position in U.S. battery market via BlueOvalSK – SK Innovation Newsroom (skinnonews.com)

Ultium Cells, OH & TN
Ultium Cells Battery Plant Is Almost Complete: June 1, 2021 (insideevs.com)
Construction of Ultium Cells LLC Battery Cell Manufacturing Plant in Spring Hill, Tennessee Progressing on Schedule
GM and LG Announce New Ultium Battery Plant in Tennessee (motortrend.com)

SK Innovation, GA
https://insideevs.com/news/556697/us-over10-new-battery-plants/amp/

Stellantis & LG Energy Solution, TBD
https://www.stellantis.com/en/news/press-releases/2021/october/stellantis-and-lg-energy-solution-to-form-joint-venture

Stellantis & Samsung
https://www.stellantis.com/en/news/press-releases/2021/october/stellantis-and-samsung-sdi-to-form-joint-venture-for-lithium-ion-battery-production-in-north-america

Tesla & Panasonic, NV
https://insideevs.com/news/544017/panasonic-battery-capacity-50gwh-q3/

Korepower, AZ
https://korepower.com/media/get-ready-arizona-the-koreplex-is-landing

Tesla, TX
https://www.teslarati.com/tesla-4680-cell-production-giga-texas-pilot-line-photos/

Envision, TN
https://insideevs.com/news/510520/rumor-nissan-two-battery-plants/

Saft, FL
https://www.reliableplant.com/Read/23586/Saft-battery-plant-Florida