Stellt die Batteriezelle das Kunden-Lieferanten-Verhältnis auf den Kopf?

Autor: Benedikt Hürter
Veröffentlicht am: 23.07.2019

Deutschland als Standort für High-Tech Batterien ist momentan eines der zentralen Themen des Bundeswirtschafts- und Bildungsministeriums. Die zentrale Bedeutung für die heimische Industrie wird stets betont. Wir haben uns mit der Bedeutung der aktuellen Markthoheit asiatischer Unternehmen in Bezug auf die Batteriezelle befasst und die Gefahren herausgearbeitet.

Der Beschaffungsprozess von Materialien und Komponenten ist für jede Produktion essentiell. Ohne die richtigen Teile am richtigen Ort gerät die Produktion schnell außer Takt. Insbesondere wichtige Bauteile müssen eine hohe Versorgungssicherheit aufweisen. Jeder Fehler kostet Zeit und Geld. Dementsprechend umfassend erfolgen die Planung der Beschaffungsstrategie, die Auswahl der Lieferanten, das Aushandeln von Verträgen und Qualitätssicherungsoptionen. Mit dem Serienanlauf ist die Planung noch nicht abgeschlossen: Laufend muss die Qualität geprüft, Rückläufer aus dem Feld zur Verbesserung untersucht und mit dem Zulieferer abgestimmt werden.

Wie sieht die Realität aus? Dass der Lieferant nach Bauplänen Teile fertigt ist heutzutage eine Seltenheit. Viel häufiger werden Aufträge beginnend bei der Entwicklung bis hin zur Fertigung und Qualitätsprüfung vergeben. Wichtig ist die Definition von strategischen Bauteilen, die zur Kernkompetenz gehören, in Abgrenzung zu Standardgütern, die besser eingekauft werden. Sind die zu vergebenden Bauteile ausgewählt, erfolgt die weitere Auswahl: Hier spielen Kriterien wie die lokale Nähe, Qualität, Preis/Leistung und viele weitere Kriterien eine wichtige Rolle.

Bei einem entsprechenden Auftragsvolumen von einem Großunternehmen für einen kleineren Betrieb entsteht eine Abhängigkeit und ein Machtgefälle zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer. Dementsprechend sind kleinere Unternehmen häufig bereit, sich dem Auftraggeber anzupassen. Es werden z.B. Tochterstandorte für neue Fabriken eröffnet, um alle neuen Aufträge auch zu realisieren.

Bei der Beschaffung von Batteriezellen stellt sich das Bild anders dar: Das Know-How und die Produktionskapazitäten sind vornehmlich in asiatischer Hand. Die Hersteller sind von den Autmobilherstellern sehr umworben und besitzen mehrere Standbeine. Hier dreht sich das Machtgefälle oftmals um. Das Herzstück der Elektromobilität ist ein leistungsfähiges Batteriepack mit qualitativ hochwertigen Batteriezellen. Im Gegensatz zu den Verbrennungsmotoren ist das Herzstück aber bislang nicht die Kernkompetenz der deutschen Automobilhersteller. Sie sind auf die Versorgungssicherheit aus Asien angewiesen, um ihre Autos fertigen und verkaufen zu können. Im Falle von z.B. Samsung SDI ist die Batteriesparte ein kleiner Bestandteil in einem großen Industrieunternehmen und die automobile Anwendung von Lithium-Ionen-Batterien nur ein Anwendungsfeld von vielen.

Wenn es das Angebot aber nur global gibt, so ergibt sich ein hart umkämpfter Wettbewerb mit einer Vielzahl an Unternehmen, um die besten Produkte für die eigenen Kunden zu gewinnen. Im Falle des Autos hängt die Leistungsfähigkeit sehr stark von den verwendeten Zellen ab. Batteriezellen mit einem guten Preis/Leistungsverhältnis stellen einen wichtigen Wettbewerbsvorteil dar.

Mittlerweile unternehmen die Automobilhersteller viele Anstrengungen, um die Abhängigkeit von seinen Lieferanten zu reduzieren und die Kerntechnologie Batteriezelle wieder in der eigenen Hand zu haben. Das Beispiel CATL in Erfurt zeigt jedoch: Der Aufbau einer Batteriezellfabrik in Deutschland ist kostspielig (momentane Angaben: 1,8 Mrd. Euro). Die Auslastung ist durch umfassende und langfristige Verträge im Umfang mehrerer Milliarden Euro beispielsweise mit BMW jedoch bereits gesichert. Auch Tesla arbeitet verstärkt an einer eigenen Zellfertigung und der Unabhängigkeit von Partner Panasonic.

Experteneinschätzung

Von: Dr.-Ing. Heiner Heimes

Die asiatischen Hersteller haben lange vom schwachen Interesse der westlichen Länder profitiert und konnten den Massenmarkt größtenteils unter sich aufteilen. Durch die Elektromobilität ist insbesondere die Zelle ein strategisch wichtiges Gut geworden. In Einklang mit der zu erwartenden steigenden Nachfrage wird der Markt in den kommenden Jahren sicherlich sehr dynamisch bleiben. Abhängigkeiten werden abgebaut und strategische Allianzen unabdingbar für eine erfolgreiche Zukunft. Nicht zuletzt durch die politischen Bemühungen wird eine klare Strategie letztendlich darüber entscheiden, wer zu den Gewinnern gehört.

Quellen:

https://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/catl-plaene-chinesisches-batteriewerk-in-erfurt-soll-groesser-werden-als-teslas-gigafactory/23949354.html?ticket=ST-7875281-ugCIUDmEdOCEVufd7dAv-ap4

Lieferantenmanagement: Die wertorientierte Gestaltung der Lieferbeziehung; G. Hofbauer, Walter de Gruyter GmbH & Co KG, 2016; 9783110443363

https://www.manager-magazin.de/unternehmen/autoindustrie/tesla-elon-musk-erwaegt-offenbar-eigene-zellproduktion-a-1274862.html

Einkaufsmanagement: Handbuch Produktion und Management 7, G. Schuh, Springer-Verlag, 2013, 9783642397714