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„Die Lithium-Ionen-Batterien ist eine wissenschaftliche und kommerzielle Erfolgsgeschichte“ – Prof. D. Sauer im Gespräch
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Autor: Die Redaktion
Veröffentlicht am: 07.01.2019
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Bedeutung und Herausforderungen der Lithium-Ionen-Batterie. Wir sprachen mit dem Universitätsprofessor und Lehrstuhlinhaber für Elektrochemische Energiewandlung und Speichersystemtechnik an der RWTH Aachen Professor Dirk Uwe Sauer über die Bedeutung sowie aktuelle Herausforderungen der Lithium-Ionen-Batterie aus technologischer Sicht und für den Wirtschaftsstandort Deutschland.
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Redaktion: Die Lithium-Ionen-Batterie wird aktuell in immer mehr Produkte integriert. Was ist aus Ihrer Sicht die größte Herausforderung für die Lithium-Ionen-Batterie?
Prof. Sauer: Die Lithium-Ionen-Batterien – dieses Jahr auch mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet – ist eine wissenschaftliche und kommerzielle Erfolgsgeschichte. Die Herausforderungen liegen vor allem in weiteren Kostensenkungen, die weitere Verbesserung der Sicherheit ausgehend von einem bereits hohen Niveau, und der Ersatz der selteneren und entsprechend teuren Materialien?
Redaktion: Welche Entwicklungen im Themenfeld der LIB sehen Sie als besonders vielversprechend an oder liegt Ihnen besonders am Herzen?
Prof. Sauer: Von zentraler Bedeutung bei der Wichtigkeit der Lithium-Ionen-Batterien für die Mobilität und Energietechnik in der Zukunft ist, dass wir uns in Europa von der Abhängigkeit asiatischer Anbieter lösen können. Die verschiedenen Initiativen von EU, Bundesregierung und Industrieunternehmen sind aus meiner Sicht daher zu begrüßen und wir sollten ihnen alle Unterstützung aus der Wissenschaft geben, um erfolgreich zu werden.
Redaktion: Wie schätzen Sie die Bedeutung der Batteriezelle für die zukünftige Mobilität ein? Wird es ein Nebeneinander von Technologien geben oder wird sich eine dominante Technologie durchsetzen?
Prof. Sauer: Die Lithium-Ionen-Batterien wird lange dominieren, wobei das ja auch nur ein Überbegriff über eine Vielzahl von Materialvarianten ist. Darunter fallen die verschiedenen Kathodenmaterialien (z.B. mit immer weniger Kobalt), Anoden mit wachsenden Siliziumanteilen oder vielleicht auch noch Materialien für höhere Zellspannungen. Darunter fallen aber z.B. auch extrem leistungsfähige Materialkombinationen wie Lithium-Titanat-Zellen mit Lade- und Entladeleitung von bis zu 100 kW pro kWh Batteriekapazität. Von daher wird es im Detail eine Vielzahl von Chemievarianten und auch Zellgeometrien geben, aber im Wesentlichen werden sie in die Klasse der Lithium-Ionen-Batterien fallen.
Redaktion: Wie schätzen Sie die darüber hinaus die zukünftige Rolle von „Beyond Li-Ion“-Technologien wie Magnesium-Ionen-, Metall-Luft- und Metall-Schwefel-Batterien ein?
Prof. Sauer: Wissenschaftlich interessante Technologien, von denen in der PKW-Mobilität wahrscheinlich in den kommenden 15 Jahren keine eine wesentliche Rolle spielen wird. Lithium-Schwefel-Batterien sind am nächsten am Produkt und können aufgrund der besseren gravimetrischen Energiedichte im Bereich Flugobjekte schnell interessant werden. Lithium-Luft-Batterien sind Objekt der Grundlagenforschung – interessant, aber weit weg von einem auch kommerziell erfolgreichen Produkt.
Redaktion: Wie sehen Sie die Zukunft der Festkörperelektrolyt-Batterie?
Prof. Sauer: Die Festkörperelektrolytbatterie ist eine evolutionäre Weiterentwicklung der heute gängigen Lithium-Ionen-Batterien. Abgesehen davon, dass es noch eine große Zahl offener Fragen in Bezug auf alle Fragen inkl. der Produktion gibt, erwarte ich, dass die Nutzer es kaum merken werden, wenn der Elektrolyt nicht mehr flüssig, sondern fest ist. Ich sehe den Schritt nicht als „game changer“ in der Industrielandschaft und ich sehe auch keine wesentlichen Performanceparameter, die die Anwendung von Batterien revolutionieren werden.
Redaktion: Was ist Ihrer Ansicht nach die wirkungsvollste Methode die eingeschränkte Verfügbarkeit von Rohstoffen, v.a. von Lithium zu umgehen? Denken Sie, dass dies in naher Zukunft allein durch effizienteres Batterie-Recycling zu lösen ist, oder ist es nur in Kombination mit alternativen Materialien zu bewerkstelligen?
Prof. Sauer: Recycling von Batterien wird eine wichtige sekundäre Materialquelle vor allem für rohstoffarme Länder wie Deutschland werden. Schaut man sich aber die prognostizierten Hochlaufzahlen für die Batterieproduktion an, so wird auch in 20 Jahren kein Gleichgewicht zwischen hergestellter Kapazität und Recycling erreicht sein. Wir werden weltweit also massiv Material aus primären Quellen brauchen. Tatsächlich scheinen aber aus aktueller Sicht keine Knappheiten an Materialien zu bestehen bzw. von den beteiligten Branchen erwartet zu werden. Preise für Kobalt und Lithium sind in den letzten 18 Monaten wieder massiv gefallen, obwohl in diesem Zeitraum die Ankündigungen und ernsthaften Investitionen gerade der Automobilindustrie massiv angestiegen sind. Vorübergehende Preisanstiege waren eher auf Knappheiten bei der Verarbeitung zurückzuführen, nicht auf grundsätzliche Knappheiten an Rohstoffen. Trotzdem wird ein Entwicklungsfokus auf der weiteren Absenkung des Kobaltgehalts liegen. Ganz klar muss parallel auch erheblich in die Recyclingtechnologie in Forschung und Industrie investiert werden.
Redaktion: Welche Rolle spielt die starke Forschungslandschaft in Deutschland in Bezug auf die Weiter- und Neuentwicklung von Prozesstechnologien in der Batterieproduktion?
Prof. Sauer: Aus der Forschung werden wir in allen Bereichen die Lösungen bereitstellen können, die benötigt werden. Bundesregierung und Bundesländer haben in den letzten 10 Jahren eine leistungsfähige Forschungslandschaft etabliert, die liefern wird, wo es notwendig ist. Aber der eigentliche Rückstand liegt in der Erfahrung der Zellproduktion. Den wird man aber nur überwinden, wenn man „macht“. Das alles entscheidende Kriterium für die Marktfähigkeit von Batterien in den wichtigsten Anwendungsfeldern (Mobilität, mobile Endgeräte, Energiesystem) sind die Kosten. Es gibt kaum einen absehbaren Performancevorteil, der höhere Preise rechtfertigen wird. Es ist also notwendig, die Produktion entlang der gesamten Wertschöpfungskette so hochzufahren, dass die notwendigen Economy-of-Scale-Effekte erreicht werden. Die Produktionsforschung wird dazu dann notwendige Technologie bereitstellen und die Forschungsfabrik Batterie (FFB) in Münster wird sicher eine geeignete Infrastruktur sein, um die notwendigen Technologien zu entwickeln und zu erproben. Aber wenn die nicht in wirklich großen kommerziellen Produktionsanlagen zum Einsatz kommt, wird das alleine nicht reichen.
Redaktion: Wie kann Deutschland mit den asiatischen Herstellern konkurrieren bzw. welche Prozessschritte sehen Sie als die wichtigsten Stellhebel in der Batteriezellfertigung, um eine wettbewerbsfähige und nachhaltige Produktion in Europa zu etablieren?
Prof. Sauer: Ich glaube nicht, dass es um einen einzelnen Prozessschritt geht. Die ganze Wertschöpfungs- und Produktionskette muss adressiert werden. Dazu gehören auch Themen wie „energieoptimierte Produktion“, oder um es mit den Worten von Elon Musk zu sagen: Ein Produkt für eine nachhaltige Welt muss auch sauber hergestellt werden. Wir sehen ja auch vermehrt bei Fahrzeugherstellern, dass die entsprechenden Wert darauf legen, dass die Produktion der Batterien möglichst emissionsarm erfolgt. Hier könnten wir in Europa sicher Lösungen erarbeiten, bei denen eine integrale Verbindung zwischen Energiebereitstellung („Energiewende“) und Produktionstechnik erreicht wird.
Redaktion: Wann rechnen Sie mit dem nächsten Technologiesprung und wie schätzen Sie die Chancen Deutschlands ein, diesmal eine führende Rolle zu übernehmen?
Prof. Sauer: Ich erwarte keine Technologiesprünge und damit müssen wir auch in Deutschland den harten Weg gehen, und uns an die starken asiatischen Unternehmen heranarbeiten.
Bange machen gilt nicht und liebgewonnene Sterotypen wie „in Deutschland sind Arbeitskraft und Energie zu teuer oder Umweltschutzstandards sind zu hoch“ sollten überdacht werden,wenn Unternehmen wie CATL in Deutschland große Zellfertigungen mit bis zu 100 GWh Kapazität pro Jahr aufbauen wollen. Die werden schon gerechnet haben, ob sich das lohnt.
Redaktion: Welchen Denkanstoß möchte Sie unseren Leserinnen und Lesern noch mitgeben?
Prof. Sauer: Das Warten auf einen Technologiesprung oder Game Changer führt nur dazu, die aktuellen Entwicklungstrends zu verpassen. Am Ende sind es in fast allen Anwendungen die Kosten, die entscheiden. Mit dem Aufbau der Bergbaukapazitäten, der Produktionsanlagen für die Grundprodukte, den Fertigungskapazitäten für Zellen und Batteriesysteme aber auch der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge werden derartig große Vorsprünge im Bereich der Economy of Scale erzielt, dass es für neue Technologie ganz schwer wird. In der Wissenschaft wird auch von Pfadabhängigkeiten gesprochen, was bedeutet, dass ein einmal eingeschlagener Weg sich im Prinzip immer fester etabliert und der Einstieg neuer Technologien immer schwieriger wird. Genau das sehen wir ja auch heute beim Umbau sowohl im Energiesystem als auch in der Automobilindustrie. Es lohnt sich auch einen Blick auf einen anderen Blockbuster-Technologie der letzten Jahrzehnte, der Photovoltaik, zu werfen. Seit Beginn der 1990er Jahre wurde den Dünnschichttechnologien ein Siegeszug gegenüber der kristallinen Siliziumtechnologie prophezeit. Inzwischen wird an amorphen Silizium kaum noch geforscht und nach vorübergehend gesunken Marktanteilen basiert aktuell mehr als 90% der weltweiten PV-Produktion auf kristallinem Silizium. Dabei wurden die Kosten der Technologie um mehr als ein Faktor 10 gesenkt. Einmal etablierte und dominierende Technologien sind ziemlich persistent am Markt und haben eben auch selber weiter erhebliche Kostensenkungs- und Performanceoptimierungspotentiale.
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