„Wir müssen uns durch innovative Faktoren hervorheben“

Der Markt der Zellproduktion wird stark von asiatischen Unternehmen bestimmt. Es gibt jedoch auch Betriebe in Deutschland, die sich schrittweise zu bedeutenden Akteuren in der Zellproduktion entwickeln. Einer von ihnen ist die UniverCell Holding GmbH. CEO Dr. Stefan Permien gibt im Interview mit Battery-News.de Einblicke in die Pläne und Ziele des Unternehmens.
UniverCell ist vor allem wegen der Herstellung von Elektroden bekannt und auch auf einer unserer „Battery-News“-Landkarten schon einmal aufgetaucht. Wann und wie ist Ihr Unternehmen gestartet?
Stefan Permien: UniverCell ist 2019 gegründet worden. Marius Strack und ich wollten damals eine große Fabrik aufbauen und haben geschaut, wie andere das machen. Der US-amerikanische Ansatz, das erste Geld nur für ein Grundstück auszugeben, die zweite Summe nur in ein Gebäude zu investieren und dann eine dritte Runde zu brauchen, um überhaupt etwas produzieren zu können: Das war nicht unsere Vision, nicht unsere Idee. Also haben wir uns gefragt „Wie kann man vielleicht etwas effizienter starten?“ und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass wir als erstes Produkt nicht die Zelle, nicht das Modul, nicht die fertige Batterie, sondern die Elektrodenfolie als typisches Halberzeugnis auf dem Weg zur fertigen Zelle verkaufen – denn darin steckt letztlich das Kern-Know-how, die Key-Performance. So sind wir also in den Markt gestartet: zwei Leute, die mit Hilfe von zwei Investoren ein kleines Team aufbauen konnten und so mit einer Pilotanlage und einem kleinen Labor dann Elektrodenfolien produziert und an den Markt verkauft haben.

Battery-News.de: Bis 2026 soll der sukzessive Ausbau auf zehn Gigawattstunden abgeschlossen sein …
Permien: Wir sind derzeit bei 1,5 Gigawattstunden in der Elektrodenfertigung und haben im Jahr 2021 angefangen, Zellen zu produzieren. Aktuell haben wir ein relativ großes Pouchzellformat von 80 mal 300 Millimetern, und die Kapazität der Anlage liegt bei 300 Megawattstunden. Das bauen wir jetzt Schritt für Schritt aus – sowohl, was die Zellassemblierung betrifft, als auch, was die Elektrodenfertigung hin zu zehn Gigawattstunden anbelangt. Es wird aber immer einen Gap geben. Die Kunden bekommen bei uns immer Elektrodenfolie, weil da immer mehr Kapazität zur Verfügung steht als bei der Zellfertigung; das ist ganz klar in der Strategie verankert. Nichtsdestotrotz werden wir natürlich auch den Zellbereich weiter ausbauen.

Battery-News.de: Worauf soll letztlich der Fokus liegen? Auf der Pouchzelle, auf der „80 mal 300er“ oder auf Rundzellen, prismatischen Zellen?
Permien: Wir werden erst mal beim Pouchformat bleiben – das wird weiter produziert und ausgebaut. Daneben setzen wir ab Ende 2023 auf die 21700er-Rundzelle, die Kunden aus unseren Märkten verstärkt nachfragen.

Battery-News.de: Mit Blick auf Elektrodenfolien wirbt UniverCell damit, auf Kundenwünsche einzugehen. Möchten Sie ähnlich flexibel auch bei der Produktion von Zellformaten sein?
Permien: In der Elektrodenfertigung ist es sehr einfach, flexibel zu sein. In den Zellformaten werden wir nicht ganz so agil sein können. Die Grundidee bleibt aber immer, dass der Kunde zu uns kommt, weil er eine spezielle Anwendung mit einem bestimmten Problem hat, bei dem die am Markt verfügbaren Standardzellen nicht ausreichen. Sei es wegen der Lade-/Entladeraten, wegen der Energiedichte, wegen Temperaturrestriktionen oder anderem. Für solche Herausforderungen möchten wir die passende Lösung anbieten, und dabei kommt es dann auf Stückzahlen an. Das bedeutet: Wünscht der Kunde sich ein spezielles Format, arbeiten wir in der Regel erst mal mit unseren Standardformaten und beweisen, dass wir eine Lösung herbeiführen können. Sind die gewünschten Stückzahlen ausreichend, gehen wir mit dem Kunden auch gerne in den Bereich, genau das Format anzufertigen, das er braucht.

Battery-News.de: Wie setzen Sie das technisch um?
Permien: Wir haben ein eigenes Engineering-Team im Haus, so dass wir Hardware entsprechend schnell und unabhängig anpassen können. Gleiches gilt für unser eigenes Software-Team, wodurch unsere Anlagen größtenteils selbst programmiert sind und Anpassungen von uns in Eigenregie vorgenommen werden können. Einerseits sind wir also hochflexibel, andererseits aber natürlich auch limitiert. Auf den Punkt gebracht: Wenn es eine partnerschaftliche Entwicklung ist, bei der die Stückzahlen stimmen, kann es sich im Endeffekt auch um ein Format handeln, das wir heute noch gar nicht produzieren. Da sind wir komplett offen.

Battery-News.de: Wenn UniverCell jetzt die große Fertigung in den Blick nimmt, würde Ihr Unternehmen sich dann auch auf dem europäischen Markt noch einmal umschauen? Dort gibt es stellenweise ja schon Innovationstreiber – zum Beispiel im Bereich der Trockenbeschichtung, wo ein deutsches Unternehmen führend ist.
Permien: Das ist für uns definitiv ein Thema. Wir können derzeit „State of the art“ und zusätzlich die neuesten Technologien auf dem Markt produzieren. Wir sind also schon „cutting-edge“, und wenn wir den nächsten Schritt machen wollen, ist klar: Wir können uns mit den asiatischen Herstellern nicht in punkto Preis vergleichen, wir müssen uns durch die Qualität und innovative Faktoren hervorheben. Besonders, wenn man auf die Energiepreise schaut, ist so etwas wie Trockenbeschichtung hochgradig spannend – und auch ein Thema, mit dem wir uns beschäftigen.

Battery-News.de: Ihr Ziel war es, im Jahr 2022 CO2-neutral zu sein. Haben Sie diesen Meilenstein erreicht?
Permien: Wir sind auf einem guten Weg, aber noch nicht zu 100 Prozent da, wo wir hinkommen möchten. Wir beschäftigen uns intensiv mit CO2-neutraler Produktion und insgesamt mit einer klimafreundlichen „Supply Chain“. Das ist uns sehr wichtig, weil die Produktion von Aktivmaterial – vor allem auf der Kathodenseite – bekanntermaßen energieintensiv ist. Sämtliche Fabriken in Europa werden ja gerade erst aufgestellt, was bedeutet: Der Hauptanteil des Materials und damit der CO2-Fußabdruck kommt nach wie vor aus Asien.

Battery-News.de: VW hat mit Umicore vor Kurzem einen äußerst umfangreichen Liefervertrag für Materialien – auch mit Rezyklat-Ideen oder -Projekten – unterzeichnet. Wie sind die Lieferverträge Ihres Unternehmens dimensioniert?
Permien: Natürlich sind wir nicht VW, und wir können uns aktuell noch nicht so wie die ganz Großen quasi bis in die Mine absichern. Unsere Abkommen sind sowohl für die Größe, die wir heute haben, als auch für die Dimension, die wir anstreben, sehr gut. Was unsere Zulieferer motiviert, ist, dass wir heute schon Material abnehmen. Das ist der große Unterschied zu vielen anderen Fertigungen, die ja noch im Aufbau sind.

Battery-News.de: Sie haben es selbst gesagt: Bei UniverCell ist auch die Verwendung von Rezyklaten von Interesse. Wie sieht es mit dem Abfall Ihrer künftigen Gigafabrik und bei Ihrer aktuellen Fertigung aus? Gibt es bereits Verträge oder Abkommen mit Recyclern?
Permien: Wir haben natürlich eine gewisse „Scrap Rate“ – gerade, wenn neue Produkte gefertigt werden. Das Schöne ist, dass die Halberzeugnisse letztlich etwas einfacher aufzubereiten sind. Das kann man sich einfach derart vorstellen: Von Automobilproduzenten zum Beispiel bekommt der Recycler ein komplettes Batteriepack inklusive Plastikummantelung, Kleber, Elektronik und so weiter. Bei uns können die Recycler indes sehr gut „üben“, weil sie von uns auch mal einige übriggebliebene Liter Slurry erhalten – oder Elektrodenfolien, Anode, Kathode, sogar nach Kathodentyp getrennt. Wir bieten also die ideale Trainingslandschaft für jeden, der ins Recycling-Business einsteigen möchte.

Battery-News.de: Das Thema „Stapeln“ ist in den Gigafabriken derzeit ein „Flaschenhals“ – aber auch die Formierung mit der hohen Lagervorhaltung, gewissen Energiekosten und Herausforderungen beim Aging. Sehen Sie das als potenzieller Entwicklungspartner positiv?
Permien: Das kommt ein bisschen auf den Kundentypus an. Wir haben im Wesentlichen zwei unterschiedliche Arten von Kunden. Der eine sagt: „Die Standardzelle reicht nicht aus, ich brauche etwas Spezielles – hier ist eine Liste der Zelleigenschaften.“ Dabei kommt die Entwicklung, also der Weg dahin, von uns und wird in Abstimmung mit dem Partner umgesetzt. Daneben gibt es aber auch viele Kunden, die mit uns zusammenarbeiten, die im Labor schon etwas entwickelt haben – die ultimative Anode oder die beste Kathode –, und die sagen: „Ich benötige von UniverCell den Rest der Komponenten, und ich brauche UniverCell als Zellassemblierer“. Je nachdem, wo der Kunde steht, welchen Input er gibt, entwickeln wir partnerschaftlich auch die gesamte Zellassemblierung – inklusive Formierprogramm. Dabei haben wir selbst genug Erfahrung für die Materialien, die wir in die Zellen geben, und können „state-of-the-art“ formieren und assemblieren. Wir haben zwar auch Ideen, wie wir das insgesamt schneller hinbekommen, aber das Wichtigste für uns ist es, eine gute und sichere Zelle hinzubekommen. Da ist die Geschwindigkeit einzelner Produktionsschritte eher zweitrangig – was aber nicht heißen soll, dass wir uns nicht mit diesen Themen beschäftigen.

Battery-News.de: Ihr Unternehmen geht also nicht nur das Produkt „Zelle“, sondern auch das Thema „Entwicklung“ aktiv an.
Permien: Genau, das eine ist die Chemie und das andere der Prozess. Beides versuchen wir ideal miteinander zu vereinen und daraus einen Vorteil für den Kunden zu generieren. Natürlich sowohl auf Performance- als auch auf Kostenseite. Und wir verfolgen die Idee, dass wir zuerst immer auf die Anwendung schauen und anschließend versuchen, Chemie, Prozess und Produkt darauf abzubilden, anstatt eine „One size fits all“-Strategie zu fahren. Durch die Entwicklung und die Herstellung verschiedener Produkte bauen wir einen großen Wissens-Pool auf, durch den wir effizienter und schneller neue Technologien zur Produktionsreife bringen können. Das soll für uns und vor allem für unsere Partner einen entscheidenden Vorteil am Markt ergeben.

Battery-News.de: Apropos „Vorteile am Markt“ und „Chemie“: Da kommen schnell stationäre Speicher in den Sinn. Gemeinsam mit Aspekten wie Materialverfügbarkeit und CO2 ist das Thema „Natrium-Ionen“ fast unumgänglich. UniverCell entwickelt Prozesse und verbessert die Chemie. Es heißt, in der Produktion gebe es doch einige Parallelen zwischen der Natrium-Ionen- und der Lithium-Ionen-Batterie. Wie beurteilen Sie das künftige Anwendungspotenzial und wie möchten Sie sich dort positionieren?
Permien: Für die Natrium-Ionen-Technologie sehe ich in stationären Speichern extrem hohes Potenzial. Ich bin mir sicher, dass das kommt – die Frage ist nur noch, wann. Die Vorteile liegen auf der Hand – vor allem auf der Preisseite. Die stationären Speicher hinken allerdings weit hinter dem Automobil-Thema her, das kommt ja alles erst noch. Wann man die erste Zelle in der Hand hält, die komplett geprüft und zertifiziert ist, vermag ich noch nicht zu sagen.

Battery-News.de: Aber Sie können heute schon Natrium-Ionen-Batterien herstellen?
Permien: Im Prototypen-Level: ja.

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