„Bevor wir regulieren, sollten wir neue Technologien erst erproben“

Nichts ist unmöglich? „Geht nicht“ gibt’s nicht? Was für manche Menschen nach abgedroschenen Werbe-Slogans klingt, ist für die Fraunhofer-Einrichtung Forschungsfertigung Batteriezelle FFB in Münster Programm. Wie und womit Deutschland und Europa sich im Wettbewerb vor allem mit Asien behaupten können und weshalb es für die Zukunft besser ist, Regulierungen hinten anzustellen und neue Technologien einfach erst mal zu erproben, erklärt FFB-Institutsleiter Dr. Simon Lux, Professor für Angewandte Elektrochemische Energiespeichertechnik und Wirtschaftschemie an der Universität Münster, im Exklusiv-Interview mit den „Battery-News“.

Battery-News: Lithium-Ionen-Batterien sind trotz ihrer technischen Grenzen der Standard in vielen Industriebereichen. Welche neuen Materialentwicklungen verfolgt die Fraunhofer FFB derzeit, um die Leistungsfähigkeit und Nachhaltigkeit von Lithium-Ionen-Batterien zu verbessern?
Professor Dr. Simon Lux: Wir arbeiten kontinuierlich daran, die an der Fraunhofer FFB hergestellten Batteriezellen zu optimieren. Wir verwenden nickelreiche Kathoden und siliziumhaltige Anoden, mit denen wir die Performance unserer Batteriezellen verbessern. Gleichzeitig erforschen wir nachhaltige Produktionsmethoden, die entweder ohne toxische Lösungsmittel oder ohne fluorhaltige Binder auskommen. Ein weiterer Forschungsschwerpunkt liegt auf Natrium-Ionen-Batterien und Lithium-Eisenphosphat-Batterien, die bekanntermaßen eine nachhaltigere Alternative bilden, weil sie auf weniger kritische Rohstoffe setzen und eine reduzierte CO₂-Bilanz aufweisen.

Battery-News: Trotz hoher Investitionen scheitern viele innovative Batterietechnologien daran, die Marktreife zu erreichen. Was unternimmt die Fraunhofer FFB, um sicherzustellen, dass Forschungsergebnisse schneller in großtechnische Produktionen überführt werden können und nicht als Prototypen enden?
Lux: Das trifft genau den Kern der Fraunhofer FFB: Unsere Mission ist es, dafür zu sorgen, dass innovative Batterietechnologien nicht nur auf dem Papier existieren, sondern auch in die industrielle Anwendung überführt werden. Dafür stellen wir mit unserer „FFB PreFab“ als offene Forschungsfabrik eine Infrastruktur und Expertise zur Verfügung. Außerdem entstehen mit der „FFB Fab“ 20.000 Quadratmeter zusätzlicher Produktions- und Forschungsflächen, wo eine industrienahe Fertigungsforschung und Entwicklung im Gigawatt-Bereich möglich wird. Gleichzeitig bringen wir in unseren Entwicklungsprojekten mit Industriekunden gezielt unsere Expertise ein. Unsere Partner kennen ihre eigenen Prozesse bestens, aber sie verfügen nicht immer über tiefgehende, hilfreiche Einblicke in die Batterie-Industrie. Diese Wissenslücke können wir schließen.

„Unser Ziel muss es sein, eine Balance zwischen Kosten- und Energieeffizienz und europäischen Stärken wie Qualität, Nachhaltigkeit und Innovationskraft zu finden.“

Battery-News: Die Herstellungskosten für Batteriezellen liegen in Europa deutlich höher als diejenigen in Asien. Wie möchte die Fraunhofer FFB dazu beitragen, diesen Wettbewerbsnachteil auszugleichen? Ist es überhaupt realistisch, dass Europa konkurrenzfähig wird?
Lux: Die Herstellungskosten für Batteriezellen in Europa sind zweifelsohne höher als in Asien. Das liegt vor allem an den dortigen Skaleneffekten und an der staatlichen Unterstützung der Produzenten, zum Beispiel in China. Die Marktpreise für Batteriezellen liegen dort teilweise unter den errechneten Material- und Produktionskosten. Europa hat trotzdem eine realistische Chance, konkurrenzfähig zu werden. Unser Ziel muss es sein, eine Balance zwischen Kosten- und Energieeffizienz und europäischen Stärken wie Qualität, Nachhaltigkeit und Innovationskraft zu finden. Die Fraunhofer FFB leistet dazu wesentliche Beiträge. Ein zentraler Aspekt liegt in der Qualifizierung von Fachkräften, um das notwendige Know-how für eine wettbewerbsfähige Zellfertigung in Europa aufzubauen. Ein anderer entscheidender Faktor ist unsere praxisnahe Forschung, durch die wir tiefgreifende Erkenntnisse über die Zusammenhänge zwischen Produkt und Prozess, optimierten Produktionsabläufen und geringeren Ausschussraten erhalten.

Battery-News: Nachhaltigkeit gilt inzwischen als zentrales Thema in der Batterie-Industrie. Wie geht die Fraunhofer FFB die Herausforderung an, Batterien so zu gestalten, dass sie sich später kosteneffizient recyceln lassen? Sehen Sie Fortschritte in der Kreislaufwirtschaft?
Lux: Nachhaltige und ressourcenschonende Batteriezellen sind entscheidend für die Zukunft der Batterietechnologie. Wir konzentrieren uns auf eine nachhaltige Produktion, die unter anderem das direkte Recycling von Produktionsausschüssen umfasst. In weiteren Projekten erforschen wir beispielsweise, wie wertvolle Rohstoffe sich mittelfristig für die Batterieproduktion aus Ceranfeldern und landwirtschaftlichen Abfällen zurückgewinnen und in neuen Batterien wiederverwenden lassen. Außerdem arbeiten wir an der Rückgewinnung von Phosphat aus Abwässern und Klärschlamm, um es als Elektrodenmaterial für LFP-Batterien erneut nutzbar zu machen. Unser Ziel ist es, durch innovative Recycling-Prozesse die Batteriewertschöpfungskette nachhaltiger und zukunftsfähiger zu gestalten.

„Die Entwicklung neuer Batteriezellen ist ab dem Prototypenbau äußerst kostenintensiv, da sie eingefahrene Prozesse zur Validierung erfordert.“

Battery-News: Die europäische Industrie benötigt dringend marktfähige Technologien, doch die Kluft zwischen Forschung und Produktion bleibt häufig groß. Wie erreichen Sie es, dass die Entwicklungen der FFB tatsächlich von der Industrie aufgenommen und umgesetzt werden?
Lux: Genau dieses „Valley of Death“ zwischen Forschung und Produktion schließen wir mit dem Aufbau der Fraunhofer FFB. Die Entwicklung neuer Batteriezellen ist ab dem Prototypenbau äußerst kostenintensiv, da sie eingefahrene Prozesse zur Validierung erfordert. Mit der FFB schaffen wir die Brücke, mit der Innovationen sich effizient in die industrielle Anwendung überführen lassen, und wir erleben, dass dieses Angebot bei führenden Automotive-OEMs und KMU schon jetzt auf großes Interesse stößt. Die Resonanz ist spürbar. Unsere Expertise in den Bereichen von innovativer Prozesstechnologie, Technologiemanagement, Musterproduktion oder Qualitätsmanagement in der Batteriezellproduktion entspricht den aktuellen Bedürfnissen der Industrie. Vor allem im Qualitätsmanagement liegt ein Schwerpunkt darauf, etablierte Konzepte aus der Automobilbranche auf die Anforderungen der Batteriezellfertigung zu übertragen. Bislang befinden sich in Deutschland und in Europa nur wenige Batteriezellfabriken im Betrieb. Wir wissen, dass die vor allem die Anlaufphase einer Gigafactory ist mit erheblichen organisatorischen und technischen Herausforderungen verbunden ist. Deshalb haben wir die Ramp-up-Phase systematisch analysiert und unsere Erkenntnisse vor kurzem veröffentlicht. Wir bieten gezielte Unterstützung, um diesen Prozess deutlich effizienter und damit kostengünstiger zu gestalten.

Battery-News: Wo steht die europäische Batterieproduktion in zehn Jahren?
Lux: Die Batterie-Industrie in Deutschland und Europa durchläuft gerade eine Phase der Konsolidierung, in der viele Unternehmen ihre Ambitionen überdenken oder konkrete Projekte sogar zurückfahren. Angesichts der teilweise extrem günstigen Finanzierungsmöglichkeiten und des enormen Wachstums des Batteriemarktes in den vergangenen Jahren, kommt das auch nicht ganz unerwartet, ist aber nur ein Zwischentief. Die Batterie bleibt der entscheidende Treiber für die Energie- und Mobilitätswende und wird weiterhin stark wachsen, wie es aus globaler Sicht 2024 auch der Fall gewesen ist.

„Der Wettbewerb kommt nicht nur aus China, sondern auch aus anderen asiatischen Ländern wie Indien und Taiwan.“

Battery-News: In welchem Bereich sehen Sie die besten Chancen für Deutschland und Europa?
Lux: In der Produktionsoptimierung steckt enormes Potenzial. Das ist allerdings stark von entscheidenden Faktoren abhängig: Wie einfach, wie kostengünstig und wie nachhaltig lässt sich eine Batterie produzieren? Um entsprechende Innovationen voranzutreiben, braucht es gezielte Fördergelder, die langfristige Entwicklungen unterstützen – im Gegensatz zu temporären Fördermitteln und Regulierungen, die den Fortschritt ausbremsen. Die kürzlich vom Bundesforschungsministerium angekündigten 25 Millionen Euro sind ein erster wichtiger Schritt, damit der Ausfall der KTF-Mittel teilweise überbrückt werden kann. Für die nächste Bundesregierung heißt es trotzdem „anpacken“. Unser Ziel muss es sein, als Standort an der Spitze zu bleiben – und dafür brauchen wir Innovationen, Tempo und Entschlossenheit. Der Wettbewerb kommt nicht nur aus China, sondern auch aus anderen asiatischen Ländern wie Indien und Taiwan. Europa hat die Chance, in diesem Rennen eine führende Rolle einzunehmen. Bevor wir regulieren, sollten wir neue Technologien erst erproben. Nur so können wir Fortschritt gestalten und uns im globalen Wettbewerb behaupten.

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