„Wir verarbeiten alles – von beschichteten Folien bis zu kompletten Batterien“

Vor wenigen Tagen hat das Batterie-Recycling-Unternehmen „cylib“ seine Pilotanlage in Aachen in Betrieb genommen. Während das Werk bereits 500 Kilogramm Altbatterien pro Tag verwerten kann, arbeitet das Start-up-Team um Gründerin Lilian Schwich schon an einer größeren Anlage. Battery-News sprach mit den beiden Mitgründern Gideon Schwich (COO) und Paul Sabarny (CTO) über das Unternehmen, die konkreten Pläne und die Recycling-Technologie.

Battery-News: Vor Kurzem haben Sie Ihre Pilotanlage im von der Industrie geprägten Aachener Stadtteil Rothe Erde eingeweiht. Wie kamen Sie allgemein zur Batterie und im Speziellen zum Recycling?
Paul Sabarny: Die Idee für „cylib“ entstand während unserer Zeit am RWTH-Institut für Metallurgische Prozesstechnik und Metallrecycling (IME). Lilian hatte schon 2016 mit der Erforschung von Batterie-Recycling begonnen, als sie sozusagen als Einzelkämpferin in diesem Bereich aktiv war. Damals kamen gerade die ersten Recycling-Methoden auf. Der Fokus lag primär noch auf der Pyrometallurgie. Das bedeutet: Batterien wurden einfach eingeschmolzen, und nur wenige Elemente wurden berücksichtigt. Lilian und IEM-Professor Friedrich hatten daher ein enormes Potenzial für Verbesserungen erkannt.

„Wir haben den Markt und die Lösungsansätze beobachtet und uns gefragt: Warum setzen die Recycling-Unternehmen das nicht um?“

Paul Sabarny, CTO der cylib GmbH

Battery-News: Das war also gewissermaßen die Initialzündung. Wie kam es dann aber zur Unternehmensgründung?
Sabarny: Über mehrere Jahre hinweg, in denen wir in der Forschung aktiv waren, entwickelte sich diese Idee weiter. Wir haben den Markt und die Lösungsansätze beobachtet. Das führte schließlich dazu, dass wir uns fragten: Warum setzen die Recycling-Unternehmen das nicht um? Warum berücksichtigen sie nicht Stoffe wie Lithium oder Graphit und konzentrieren sich stattdessen nur auf Nickel und Kobalt? Natürlich aus wirtschaftlichen Gründen, was verständlich ist, aber das ist weder nachhaltig noch entspricht es unserem Ziel mit Blick auf Kreislaufwirtschaft. Basierend auf diesen Überlegungen haben wir begonnen, einen Prozess zu entwickeln, der schließlich in der cylib-Technologie mündete.

Battery-News: Für das Jahr 2024 planen Sie den Aufbau einer Recycling-Anlage. Können Sie uns mehr darüber erzählen?
Sabarny: Wir haben gerade die Pilotlinie eingeweiht, die über eine viel größere Kapazität als unser früheres Institut verfügt. Das ist allerdings noch nicht der volle Industriemaßstab. Der Aufbau soll 2024 beginnen und die Inbetriebnahme der Linie in den kommenden Jahren erfolgen. Die Erkenntnisse, die wir in der Pilotanlage sammeln, fließen parallel in die Planung der Industrieanlage ein, die schon im Gange ist.
Gideon Schwich: Wir können jetzt schon feststellen, dass der Recycling-Kapazitätsbedarf das Volumen unserer Pilotlinie deutlich übersteigt. Viele Automobilhersteller sind auf uns zugekommen, und wir haben Kooperationen sowohl mit kleinen lokalen Produzenten als auch mit deutschen OEMs abgeschlossen.

Alle in der Halle: Das cylib-Team vor seiner Recycling-Anlage.

Battery-News: Liegt Ihr Fokus hauptsächlich auf „End of Life“-Zellen, oder betreiben Sie auch das Recycling von Produktionsausschuss?
Schwich: Im Grunde genommen haben wir unseren Prozess so konzipiert, dass er äußerst flexibel und robust ist. Das bedeutet, dass wir sowohl normale Packs verarbeiten können, die am Ende ihres Lebenszyklus stehen, als auch Produktionsausschuss. Der Bereich des Produktionsausschusses ist schon jetzt äußerst interessant, weil er bereits existiert. Bei den Batterien ist es so, dass die ersten zurückkehrenden Akkus erst jetzt auftauchen. Der Großteil der „End of Life“-Batterien wird in den nächsten sieben bis zehn, vielleicht zwölf Jahren zurückkommen – abhängig davon, wie die Modelle gefahren werden.
Sabarny: Im Prinzip können wir alles verarbeiten – angefangen von beschichteten Folien bis hin zu kompletten Batterien. Wir freuen uns darauf, solches Material in unseren Prozess aufzunehmen. Gleichzeitig haben wir das Potenzial, „Black Mass“ von anderen Recycling-Unternehmen zu verarbeiten.
Schwich: Wir gehen davon aus, dass das, was in den nächsten Monaten und Jahren auf uns zukommt, sehr vielfältig sein wird – sei es Produktionsausschuss, erste „End of Life“-Zellen, Prototypen- oder beschädigte Batterien. Natürlich müssen wir das Material sortieren, das bei uns ankommt.

„Eine der Besonderheiten ist die Flexibilität unseres Prozesses, der so konzipiert ist, dass er mehrere Eingangsstufen hat. Wir können verschiedene Materialien zu verschiedenen Zeitpunkten aufnehmen.“

Gideon Schwich, COO der cylib GmbH

Battery-News: Welche konkreten Ziele verfolgen Sie derzeit, und was sind die Besonderheiten Ihres Prozesses?
Schwich: Eine der Besonderheiten ist die Flexibilität unseres Prozesses, der so konzipiert ist, dass er mehrere Eingangsstufen hat. Wir können verschiedene Materialien zu verschiedenen Zeitpunkten aufnehmen, sei es „Black Mass“ zu einem späteren oder „End of Life“-Packs zu einem früheren Zeitpunkt. Wir erachten das als wichtig für die nächsten zwei bis fünf Jahre. Wir arbeiten auch daran, unterschiedliche Produkte mit verschiedenen Unternehmen zu entwickeln und zu verkaufen. Wir sind nicht nur in der Lage, „Black Mass“ zu veräußern, sondern können beispielsweise auch Lithium als Carbonat verkaufen. Eine unserer Stärken ist, dass wir den Automobilherstellern theoretisch einen „Full Service“ bieten können: Dabei nehmen wir die Packs an und geben die Rohstoffe in genau der Form zurück, die sie benötigen. Mittelfristig, wenn die Prozesse und Materialien homogener werden, ist es für uns auch wichtig zu wachsen und eine größere Anlage zu haben, die vielleicht weniger flexibel, dafür aber durchsatzstärker ist.

Battery-News: Die Recycling-Effizienz wird oft als Maßstab dafür verwendet, wie gut ein Prozess ist. Wie sieht es damit in Ihrem Fall aus?
Sabarny: Die Effizienz ist auch davon abhängig, wie die Rohstoffe zurückgewonnen werden, nicht nur vom Prozentsatz. Vor allem bei Graphit kommt es stark auf die Morphologie an – ob und wie es wiederverwendet werden kann. Unser Schwerpunkt liegt darauf, die Rohstoffe so zurückzugewinnen, dass sie in anspruchsvollen Anwendungen wieder zum Einsatz kommen können. Wir haben eine Rückgewinnungseffizienz von etwa 90 Prozent bekanntgegeben, was unseren Anspruch widerspiegelt. Bei bestimmten Rohstoffen, wie Kobalt und Nickel, können wir sogar Rückgewinnungsquoten erzielen, die deutlich über 90 Prozent liegen. Bei Lithium befinden wir uns eher bei 80 Prozent. Je nach Aufwand sind aber auch hier höhere Werte möglich.

„Wir möchten den europäischen Markt mit Sekundärrohstoffen bedienen, die in naher Zukunft eine wichtige Rolle spielen.“

Paul Sabarny, CTO der cylib GmbH

Battery-News: Welche Meilensteine haben Sie sich als nächstes gesetzt?
Sabarny: Das ist eine gute Frage, teilweise auch ein Blick in die Zukunft oder eine Traumvorstellung. Der europäische Markt ist ein wichtiger Teil unserer Zukunftspläne – man könnte sagen: „Aus Europa für Europa“. Es ist uns wichtig, unsere Präsenz im europäischen Raum auszubauen und möglicherweise Fabriken hier vor Ort zu errichten. Wir möchten auch den europäischen Markt mit Sekundärrohstoffen bedienen, die in naher Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Ein Meilenstein war die Inbetriebnahme unserer Pilotlinie. Wenn sie erfolgreich läuft, können wir in Erwägung ziehen, in andere Regionen Deutschlands zu expandieren, in denen schon Batterien vorhanden sind. Das grenzüberschreitende Recycling vor allem von „End of Life“-Batterien ist natürlich eine Herausforderung. Es könnte Sinn ergeben, in andere europäische Märkte zu expandieren, in denen Elektromobilität schon weit verbreitet ist.

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